Oder sollte ich schreiben „Spandauer Reisemesse“? Oder „Berliner Reisemesse in Spandau“? Als Uwe Rösler vom „Reisebüro Spandau“ und ich (damals Verlagsjunior und Anzeigenverkäufer beim noch selbständigen Volksblatt Verlag) die Idee einer regionalen Endverbrauchermesse für den Tourismusbereich entwickelten und dann 1992 zum ersten Mal im Ford Autohaus Butenuth mit knapp 40 Ausstellern umsetzten, hieß die Veranstaltung noch ganz klar und lokalpatriotisch gefärbt „Spandauer Reisemesse“. Manche Teilnehmer, die uns seit nun mehr als zwei Jahrzehnten treu geblieben sind, nennen unsere Messe noch immer so. Aber viele neue Teilnehmer kamen über die Jahre auch, weil der gesamte Ballungsraum Berlin für ihre Vermarktung wichtig ist und so wurde die Messe im Namen entsprechend angepasst ohne Ihre Spandauer Wurzeln zu verleugnen.
Die etwas andere Messe
Die Berliner Reisemesse zeichnet sich heute wie damals durch allerlei Besonderheiten aus und ist über die Jahre vielleicht gerade deshalb so beständig (viele Nachahmer haben wir kommen und gehen sehen) und erfolgreich. Seit vielen Jahren kommen regelmäßig über 10.000 interessierte Besucher am dritten Wochenende im September und lassen sich von den Fachleuten bei der Urlaubsplanung beraten. Gleichzeitig erscheint der Reisemessesonderteil im SPANDAUER VOLKSBLATT und in vielen Ausgaben der BERLINER WOCHE und hundertausende lassen sich dadurch inspirieren.
Bis heute gilt diese Messe als die für die Teilnehmer wohl unbürokratischste Veranstaltung dieser Art. Telefonische Reservierung oder Anmeldung reicht. Die wenigen relevanten Informationen für die Teilnehmer gibt es auf einer Internetseite und telefonisch. Irgendwann kommt die (im Vergleich zu anderen Messen sehr günstige) Rechnung vom Veranstalter DERPART und die begleitenden Mediamaßnahmen werden mit mir und dem Verlag besprochen. Früher per Telefon und Post, nun vor allem via Email. In den ersten Jahren hing in den alten Verlagsräumen am Spandauer Hafenplatz noch ein riesiger Ablaufplan. Vor Ort sorgt Uwe Rösler für den reibungslosen Ablauf und gilt nicht umsonst als ein Sunnyboy der Berliner Reisebranche. Natürlich sieht es hinter den Kulissen aufwändiger aus und hat es in den letzten 25 Jahren viele Änderungen gegeben. Aber immer wieder sind neue Touristikveranstalter verblüfft, wenn sie keine Unterlagen wälzen und Quadratmeterpreise berechnen müssen.
Wirtschaftlicher Nutzen für alle Beteiligten
Das ist dem unternehmerischen Grundkonzept unserer Messe geschuldet. Der Veranstalter ist seit vielen Jahren die DERPART Niederlassung Berlin (früher u.a. das Reisebüro Spandau, zwischendurch auch einmal lokale Vereine). Viele der Reisen und Zielgebiete, die auf der Messe angeboten werden, können dort gebucht werden. Via Verlagsservice Lezinsky werden die Werbeanzeigen und die redaktionellen Sonderteile in bis zu 1,5 Millionen Exemplare der Berliner Wochenblätter geschaltet. Und der Veranstaltungsort, Ford, Mercedes, die Event Arena und nun BMW Nefzger erreichen durch Besuch und Berichterstattung abertausende Menschen, die sonst nichts von Ihnen erfahren oder sie besucht hätten.
Somit haben alle Hauptausrichter einen wirtschaftlichen Nutzen, was die Veranstaltung immer wieder absicherte und die extrem günstigen Teilnahmepreise bis heute ermöglicht. An dieser Stelle ist aber auch der Bezirk Spandau und das Bezirksamt zu erwähnen. Alle Bezirksbürgermeister seit 1992 eröffneten regelmäßig die Messe und machten die bei den Ausstellern beliebten Messerundgänge. Insbesondere Baustadtrat Röding hat sich in den letzten Jahren, als der Messestandort zweimal gewechselt werden musste (ständig neue Antragsverfahren, Sicherheitsgutachten…), in unglaublich engagierter Weise für die Messe eingesetzt. Diese Veranstaltung macht Berlin-Spandau in bestimmten Kreisen bundesweit bekannt.
Wechselnde Veranstaltungsorte
Die Reisemesse fand 8 Jahre lang bei Ford Butenuth an der Zitadelle statt. In den ersten Jahren noch gegen Eintritt. Die Verhältnisse waren mitunter beengt. Schon damals mussten hunderte von Autos aus mehreren Etagen ausgeparkt werden, damit Platz für die Informationsstände geschaffen werden konnte. Über teils enge Treppenaufgänge und einen Lastenaufzug wurden Besucher und Material geschleust. Undenkbar bei den heutigen Auflagen und das ist auch gut so. Jeder packte mit an. Uwe Rösler schaffte es immer wieder, motivierte Teams für den Aufbau, die Verkehrssicherung, die sanitären Einrichtungen und alle anderen Bereiche zu finden.
Dann der Umzug in das hochmoderne Mercedes Autohaus in der Seeburger Straße – über ein Jahrzehnt das Zuhause der Reisemesse in Spandau. Nach längeren internen Diskussionen und wegen mehrerer, schwer zu überschauender Eingänge entschieden wir uns für einen freien Eintritt. Obwohl nun schlagartig einige tausend Besucher mehr kamen, senkte das aus Sicht der Anbieter nicht die Qualität der Berliner Reisemesse. „Wir haben wenige Veranstaltungen wie diese, wo nicht das Sammeln von Messepräsenten, sondern der ernsthafte Wunsch sich zu informieren im Vordergrund steht“, heißt es immer wieder von den Touristikern. Mercedes lieferte ein tolles Ambiente und brachte sich auch in den Ablauf sehr positiv mit ein. Zuletzt änderten sich leider die bundesweiten Konzernvorgaben, soweit es regionale Veranstaltungen betrifft, und so war ab 2015 die Berliner Reisemesse dort nicht mehr möglich.
Die neue Eventhalle in Siemensstadt/Haselhorst sollte, auch mit hohem Engagement der Eigentümer und Betreiber für lange Zeit der neue Standort werden. Unsere Messe fand dort 2015 noch vor der offiziellen Eröffnung statt; Uwe Rösler fuhr in der Nacht zuvor noch selbst den Bodenreinigungswagen. Die aktuelle politische Entwicklung machte uns einen Strich durch die Rechnung. In der Halle wurden Flüchtlinge untergebracht. Nach Prüfung mehrerer alternativer Standorte sprachen wir die Firma BMW Nefzger an. Auf den schicken Neubau an der Nonnendammallee hatte ich schon während der Bauphase und als der Standort Seeburger Straße unsicher wurde einen begehrlichen Blick geworfen. Das Unternehmen stimmte zu. Aber es ist eben rechtlich nicht so einfach, ein Autohaus in einen Messestandort um zu widmen. Bauamtsmitarbeitern, Politik, Gutachtern, Uwe Rösler und vielen guten Geistern sei Dank, dass es auch diesmal klappte.
Spiegel der Branche im Wandel der Zeit
Welche Touristikunternehmen, Fremdenverkehrsverbände, Airlines und sonstige Reiseveranstalter haben unsere Messe über die Jahre geprägt? Es wäre schon eine Masterarbeit wert, das einmal auszuwerten. Von Anfang an waren lokale Fremdenverkehrsverbände aus ganz Deutschland, vor allem aber aus Brandenburg und den restlichen neuen Bundeländern mit dabei. Immer wieder tauchten einzelne Fremdenverkehrsämter aus allen Teilen der Republik auf. Manchmal über Jahre, um dann andere Wege zu gehen. In den ersten zehn Jahren gingen sehr viele Berliner Spezialveranstalter (Neuseeland, Australien, USA, Madeira, Korsika, Türkei usw.) an den Start. Als dann die großen Reisekonzerne zunehmend diese Ziele anboten, verschwanden viele diese Anbieter vom Markt. Einige aber haben sich bis heute erfolgreich gehalten und sind mit dabei.
Spandau, das trotz wachsendem „Berliner“ Besucheranteil und Besuchern aus dem Umland den größten Anteil des Publikums stellte, ist traditionell seit der Nachkriegszeit ein „Busreisebezirk“. Deshalb waren fast immer alle relevanten Berliner Busreiseveranstalter mit dabei. Viele von Anfang an bis heute. Immer wieder waren auch nationale Tourismusverbände (Spanien, Ägypten….) vertreten. Da diese aber vor allem bei überregionalen Messen Reiseveranstalter ansprechen, waren dies meist Eintagsfliegen. Dagegen waren die Berliner Kurreiseveranstalter über viele Jahre aus Sicht von uns Veranstaltern eine „sichere Bank“. Großveranstalter konnten in dieses beratungsintensive Geschäft nicht so leicht einbrechen. Aber auch in dieser Branche hat es in den letzten Jahren eine enorme Konzentration gegeben. Manch ein regionales Unternehmen ist verschwunden. Andere haben sich zusammengeschlossen.
Flugreiseveranstalter, große Touristikunternehmen und andere Partner des DERPART, vor allem aber zahlreiche Kreuzfahrtenveranstalter und Reedereien bilden immer wieder „ein“ Rückgrat unserer Messe. Das erklärt sich dadurch, dass das DERPART seit vielen Jahren nicht nur Reisen vermittelt, sondern unter Leitung von Uwe Rösler Reisen in alle Welt auch als Veranstalter durchführt. Seine Partner aus der Touristik sind dann meist auch vertreten. Es war schon beeindruckend, besonders in den letzten Jahren, die Elite der Kreuzfahrtenveranstalter geschlossen auf unserer Messe zu sehen. Schließlich sind auch immer wieder viele Teilnehmer aus Tschechien, Polen und Italien und Spezialveranstalter aus ganz Deutschland mit dabei. Zuletzt auch Anbieter von Attraktionen in Berlin. Die Mund-zu-Mund-Propaganda in der Reisebranche arbeitet für die Messe in Spandau.
Publikumsmagnet und Wirtschaftsfaktor
Nicht unerwähnt dürfen die regelmäßigen Tombolas bleiben. In jedem Jahr bringen die Reiseveranstalter Preise im Wert von vielen tausend Euro (früher DM) mit nach Spandau, die dann im Abstand von zwei Stunden verlost werden. Dabei können sich die Spender – eben unsere Messeaussteller – zusätzlich einem größeren Publikum vorstellen.
Die Berliner Reisemesse in Spandau ist kein kleiner Wirtschaftsfaktor. Neben den direkten Umsätzen mit z.Zt. jährlich fast 100 angemeldeten Ständen, zahllosen angeschlossenen Anbietern und 10.000 bis 12.000 Besuchern gibt es über die Jahre viele tausend Übernachtungen von Messeausstellern und ungezählte Geschäfte im Zusammenhang mit unserer Messe. In die Millionen müssen die Beträge gehen, die für tolle Reisen ausgegeben wurden, über die man sich erstmals bei der Berliner Reisemesse informiert hat. Möge es so weitergehen.
Olaf Lezinsky
18.8.2016